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Kastration- ja oder nein?

Derzeit gibt es im Hundepark-Birk ein Thema als Dauerbrenner. Es geht um die Kastration bei Hunden. Ich kenne nicht viele Themen, die derart widersprüchlich diskutiert werden. Meistens bleibt der fragende Hundehalter am Ende voller Verunsicherung, Ratlosigkeit und Zweifeln zurück. Es gibt sowohl unter den Befürwortern wie unter denen die eine Kastration strikt ablehnen extreme „Hardliner“.

 

Die Bielefelder Kastrationsstudie ist ein sehr umfassendes wissenschaftliches Werk, welches auch nur die verschiedenen Für und Wider wiedergibt, wenn auch unter Berücksichtigung der verschiedenen medizinischen Indikatoren. Auf diese möchte ich in diesem Text nicht eingehen. Medizinische Notwendigkeiten sollten mit dem Veterinärmediziner besprochen werden. Ich vertraue in die Kompetenz meines Tierarztes und befolge seinen Rat.

 

Mir ist es ein Anliegen auf die Lebenssituationen der Hunde einzugehen. Themen, die nicht einfach zu beantworten sind, bei denen es scheinbar kein Richtig oder Falsch gibt, geben immer Möglichkeit zur eigenen Entscheidung. Bei der Kastration fällt die Entscheidung den Hundehaltern so schwer, da diese nicht rückgängig zu machen ist. Eine „Fehlentscheidung“ kann nachträglich nicht korrigiert werden.

 

Aber merke ich überhaupt, wenn ich mich „Falsch“ entschieden haben sollte? Mir fehlt ja der Vergleich. Ich kenne meinen Hund ab der Operation nur kastriert und kann nicht beurteilen wie seine Entwicklung unkastriert verlaufen wäre.

 

Das Hauptargument der Gegner einer Kastration bzw. der Befürworter den Hund nicht kastrieren zu lassen, ist die Natürlichkeit der Hunde. Dazu würde meiner Meinung nach aber auch gehören, dass der Hund sich fortpflanzen darf. Eine unkastrierte Hündin die zwei Mal im Jahr läufig wird, aber nie Junge bekommen darf, lebt nicht natürlich. Ein Rüde, der in Saft, Kraft und hohem Testosteronspiegel unterwegs ist und niemals die Gelegenheit zum Decken bekommt, lebt, meiner Meinung nach, nicht natürlich.

 

Womit wir an die zentrale Frage des Themas Kastration kommen: „Möchte ich und bin ich befähigt zu züchten?“ Ich hoffe, dass viele vernünftige Menschen diese Frage nach bester Gewissensüberprüfung beantworten. Es reicht niemals das nett gemeinte aber leider unsinnige Argument: „Meine Hündin soll auch Junge bekommen.“ Damit meine ich noch nicht einmal den rein züchterischen Gedanken. Ich kenne so viele bezaubernde Mischlinge und bin wirklich der Meinung die Welt wäre um einiges Ärmer ohne sie. Ich meine damit, sich der Verantwortung bewusst zu sein, was es für die Hündin, die Welpen und die Familie bedeutet eine trächtige Hündin, eine Geburt und die Aufzucht und Vermittlung von Hundekindern zu erleben.

 

 Andererseits gibt es immer wieder Hunde die kastriert werden, von denen ich dachte die hätten der Rasse gutgetan.

 

Vorsicht möchte ich anmahnen, wenn mit einer Kastration eine Wesens- oder Verhaltensänderung bei der Hündin bezweckt werden soll. Rüden können durch eine Kastration natürlich weniger „männlich“, führiger und sicher auch verträglicher werden. Erziehung- oder Haltungsfehler können damit nicht korrigiert werden.

 

Bei Hündinnen ist alles noch etwas komplizierter. Dass eine Hündin in der Hitze einer Vielzahl von Hormonen ausgesetzt ist und in manchen Situationen anders reagieren mag ist nur natürlich. Auch wir Menschen erfahren deutliche hormonelle Schwankungen. Welche Frau kennt nicht das hormonelle Auf und Ab. Und mal ehrlich, irgendwie gehört es doch auch dazu und wir lernen damit umzugehen. Aber unsere Hündinnen bekommen dazu oftmals nicht die Chance. Damit, dass die Hündin färbt, kontrollieren wir ihr Verhalten und beobachten jedes irritierende Detail über das wir im „normalen“ Leben wegsehen würden. Schnell wird von Bürde  über völlig normale Vorgänge gesprochen und ich bin mir sicher, dass vieles durch „Frauchens“ Verhalten verstärkt wird.

 

Interessanterweise haben Herrchen von Hündinnen dieses Thema nicht in dieser ausgeprägten Form. Männer bemerken auch eine Verhaltensänderung ihrer Hündinnen vor, während und nach der Läufigkeit. Allerdings interpretieren und problematisieren sie nicht so schnell. Vielmals hört man von ihnen: „Die ist halt grad zickig.“ Damit gehen sie nicht in den inneren Zweifel, ob der Hündin was fehlt oder sie leidet und geben damit ihrem Hund die Möglichkeit durch die Hormone ihr altes, gewöhnliches Wesen zu erhalten.

 

Hilfreich wäre es das Thema Kastration beim Hund pragmatisch anzugehen.

 

  • Will ich züchten?
  • Erlebt die Hündin jedes Mal eine belastende Scheinträchtigkeit?
  • Ist mein Rüde nur unkonzentriert und nur an Hündinnen interessiert?
  • Belastet die Läufigkeit das Leben meiner Familie?
  • Ist mein Rüde unverträglich und schwer zu führen?
  • Bin ich sicher, dass das negative Verhalten der Hündin tatsächlich hormonell entsteht?

Der Schritt zur Kastration sollte immer aus der festen Überzeugung des Halters heraus entschieden werden. Die Kastration des Hundes ist kein „Probieren“, sondern eine geschaffene Tatsache. Die Beweggründe obliegen dem Halter und dem Tierarzt und sollten zum Wohl des Hundes sein.

 

Meine Dackelhündin war unkastriert, bekam die Antibabypille (gibt es heute nicht mehr) und wurde 17 Jahre alt. Unsere Mischlingshündin war nicht kastriert und musste mit 12 Jahren mit einer Gebärmutterentzündung notoperiert werden. Unsere Setterhündin war nicht kastriert und hat nie Probleme gehabt. Sie wurde mit drei Jahren das erste Mal läufig und danach einmal jährlich. Unsere Deutsch Kurzhaar Hündin ist kastriert, acht Jahre, schlank, agil, muskulös und sehr frech. Die Patterdale Terrier Hündin ist 11 Jahre alt, kastriert und sehr glücklich. Nelson der Jack Russell Rüde ist nicht kastriert, 13 Jahre und ein Traumhund. Eida und Sissi sind nicht kastriert.

 

Bei jedem Hund treffen wir die Entscheidung individuell und aus der Lebenssituation heraus. Keine Entscheidung haben wir nachträglich bereut oder in Frage gestellt. Alle unsere Hunde sind fröhlich, sicher und einfach wunderbar. Tuula, der Patterdale ist meistens ein bisschen zu dick. Das liegt daran, dass sie unglaublich gerne isst und dafür ein bisschen zu klein ist. Der unkastrierte Dackel war auch zu dick, wenn er zu viel zu essen bekommen hat.

 

Es gibt kein immer richtig oder immer falsch, es gibt beim Thema Kastration nur Möglichkeiten. Beim Rüden praktischerweise sogar einen Hormonchip, mit dem man ohne unwiderrufliche Konsequenzen schauen kann was passiert.

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Kommentare: 1
  • #1

    Marion (Dienstag, 01 September 2020 22:07)

    Ja, das kann ich nur bestätigen - aus dem Gefühl Heraus, wenn es keine medizinische Entscheidung ist. Ich habe einen unkastrierten Beagle (15) der einmal gedeckt hat - er war nie nur von seinem Trieb gesteuert und ich nie bereut ihn so unbehandelt zu lassen obwohl er sehr sehr wild war. Nun im Alter ist alles gemächlicher und er ist ein Traum von einem Beagle.